Stolpen, die stille Stadt

An der Schützenhausstraße steigen wir aus dem Bus und gehen die Schützenhausgasse hinauf - wer den Käsebrunnen im Vorwerk besichtigen will, wählt statt dessen die Neustädter Straße. In den Vorgärten blühen noch die Schneeglöckchen und schon die Märzenbecher. Durch das Stadttor betreten wir die Altstadt mit dem Bäckerladen und der Garküche. Hier saß noch vor 100 Jahren der letzte Obertorwächter, namens Pulte, in einer Vollzeitstelle, während sein Kollege, der Neidertorwächter, nur einen Teilzeitjob innehatte und seinen restlichen Lebensunterhalt als Schneider verdiente. Doch auch der Obertorwächter hatte seinen Nebeneinkünfte, da er einen Zuchtbullen hielt, welcher vermutlich unpassenderweise auf der Ochsenwiese weidete.

Neben der Garküche sehen wir ein Reiheschankzeichen von 1840 zum Aushang an Bürgerhäusern, die berechtigt waren, Bier zu brauen und zu verkaufen.

Früher gab es hier einen Handwerksbetrieb am anderen, worauf noch die wehmütigen Gedenkschilder hinweisen, die an Tischler und Schneider, aber auch an die zahlreichen kleinen Gaststätten erinnern. Das Smartphone zeigt nur zwei kümmerliche Balken: wenig Hoffnung, dass sich hier in absehbarer Zeit ein CoWorking Space ansiedelt. Die kleinen Geschäfte haben die DDR-Zeit überstanden, die Nachwendezeit hat sie ausgelöscht. Der dicke lebensmittelfarbige Wärmedämmputz (apricot, pistazie, zitrone, lachs, grünkohl - als wären die Gebäude zum Verzehr bestimmt -  an den sanierten Häusern beginnt schon zu abzubröckeln. Vielleicht kehrt die nächste Generation wieder zu dezenteren Farben zurück, wenn der Verscheonerungsverein "Wir" von 1867 neu ersteht.

Natürlich besuchen wir auch die Burg, deren interessante Aussichten jedeoch bereits ausreichend im Bild festgehalten wurden. Mit Vergnügen sahen wir, dass das Schlsfzimmer der Gräfin Cosel nicht vollständig der modernen Museumspädagogik geopfert wurde, sondern Bett, Waschtisch und Toilette noch vorhanden sind. Mich interessierte für diesmal mehr der schön präsentierte Lebenslauf des Amtmanns Andreas Becker und wie man ihn wohl an der strengen Relevanzpolizei der Wikipedia vorbeischmuggeln könnte.

Nach einer stilechten Soljanka in der Garküche (Should auld acquaintance be forgot And never brought to mind?) wieder die Schützenhausgasse hinunter mit dem weiten Blick ins Wesenitztal und nach Rennersdorf. Das Rittergut Rennersdorf ist eine Geschichte für sich - diesmal nur ein Link zu Rottenplaces.