Zum Barockschloss Oberlichtenau

01.05.2014

Die Straße zwischen Pulsnitz und Königsbrück ist wegen Bauarbeiten gesperrt - das bedeutet ein Wandererlebnis der besonderen Art - so wie früher direkt auf der Landstraße, einer herrlichen Eichenallee. Eich- und Eierberg grüßen herüber, der Löwenzahn ist schon verblüht, doch die Apfelbäume leuchten noch weiß und rosa. Rechts einige Teiche, dann der Ortseingang von Friedersdorf. Schöne Oberlausitzer Holzgiebel, linlks eine alte Mühle. Das Mahlwerk mit seinen raffinierten Zahnrädern ist am Zaun aufgestellt, am Schuppen hängen die Werkzeuge des Müllers, Beil und Sägeblätter. Gleich zwei Gasthäuser gibt es im Ort, das Hotel Waldblick und die "Goldene Ähre" mit einer Pizzeria, die erst um 17.00 Uhr öffnet. Ein Reiterhof mit ungewöhnlicher Scheunenrampe, hinter den Wirtschaftsgebäuden ragen hohe Bäume auf. Dann rechts vom Weg eine Steinbank, daneben ein großer Stein mit einer Tafel. Eine Station des Liederweges ist gefunden! Aha, "Ade zur guten Nacht" ist also kein Abend- sondern ein Abschiedslied und wurde 1848 zum ersten Mal in Sachsen aufgezeichnet. Die garstige Strophe "Die Mädchen in der Welt sind falscher als das Geld" fehlt in dieser Fassung.

Während ich noch vor mich hinsumme, komme ich an ein winziges Fachwerkhäuslein mit einer schönen Lesesteinmauer. Dahinter die nächste Station des Liederweges mit "Mein Vater war ein Wandersmann" und wieder einem steinernen Bänklein (immer hübsch eine alte Zeitung einstecken, sonst wird es kalt beim Rasten).

Oberlichtenau beginnt mit einer großen Bandweberei, schöne alte Industriearchitektur, mittlerweile freut man sich ja schon über einen gemauerten Schornstein, der nicht mit kreischenden Farben verschönert wurde. Unten an der Pulsnitz stehen noch viele Werkstätten, von Fliederbüschen eingerahmt, Schafe weiden dazwischen. Das Mühlenwerk Paul Thomschke von 1924 scheint jetzt ein wohnhaus zu sein, trägt aber noch das Müllerwappen mit den zwei Markuslöwen.

Aber leider stehen auch schöne oberlausitzer Weberhäuschen an der Straße, die dem Verfall preisgegeben wurden. In Gedanken richte ich lauter kleine Startups darin ein - hier soll es ja schon eine gute Breitbandanbindung geben. Granite Valley...

Das Kleine Bienenmuseum ist noch geschlossen, doch das Barockschloss kündigt für 10.00 Uhr eine Sonderführung an. Ich gehe vorbei am Feuerwehrhaus und zuerst nach links zum ehemaligen Rat der Gemeinde und verwaltungsgebäude der LPG "7. Oktober", das jetzt zum Bibelgarten gehört. Davor der (ehemalige?) Milchhof, zwei Milchkannen stehen auf der Abholrampe. Zum Bibelgarten gehört auch das Ikonenmuseum im Haus Schlossblick weiter oben am Hang, ich rätsle an den Buchstaben "W.D.H.N.D.H.B.S.A.U.D.D:B" (wer kriegts raus?).

Das Türchen zum Schlosshof ist offen, ich geh schon mal rein. Die Rhododendronbüsche stehen in voller Blüte, rund um die große Wiese stehen Putten mit Handwerksgeräten und Musikinstrumenten.

Es sammeln sich noch einigen Interessenten und bald erscheint der Schlossherr und führt uns hinein. Das Schloss wurde 1724 von Graf Christian Gottlieb von Holzendorff erbaut, 1744 verkaufte er es an Graf Heinrich von Brühl, später kam es an den Leiter der Porzellanmanufaktur Graf Camillo von Marcolini. 1945 wurde es enteignet und beherbergte ein Kinderheim, nach der Wende wurde es von den jetzigen Besitzern erworben und dient vor allem für Hochzeiten, Konzerte und Tanzveranstaltungen. Brautpaar und Hochzeitsgäste können auch im Schloss übernachten.

Erstaunlicherweise gibt es im Ort noch ein Gasthaus, ein alter Nachbar holt in einem Körbchen sein Mittagessen ab. Das Essen ist gut, reichlich und preiswert. Dann geht es hinauf zur Martinskirche, 1742 erbaut, und schließlich, da es zu regnen beginnt, im Geschwindschritt zurück nach Pulsnitz.